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Winterschutz für Freilandpalmen

Winterschutz - Teil 1 (Physikalische Grundlagen)

Freilandpalmen reduzieren im Winter, bei Temperaturen um bzw. unter 0 °C, ihre Stoffwechselaktivitäten sehr stark. Bei Temperaturen unter + 5 °C findet so gut wie keine Photosynthese mehr statt. Die wichtigste Eigenschaft eines guten Palmenschutzbaus ist daher nicht die Lichtdurchlässigkeit, sondern der Schutz vor zu großem Frost.

Ich verwende lichtundurchlässige Schutzbauten mit Styrodur-Verkleidung, die hoch isolierend sind und ohne bzw. mit sehr geringer Zusatzheizung auskommen (max. 100 W-Glühbirne, temperaturgeregelt). Bei wärmerem Wetter wird das Dach und/oder die Südseite des Schutzbaus geöffnet. Auch bei dauerfrostbedingt über mehrere Wochen geschlossenen Schutzbauten gab es bei meinen Freilandpalmen noch nie Schäden wegen Lichtmangels.

1. Wärmeverlust des Schutzbaus

Für den Wärmeverlust eines Schutzbaus gelten folgende Formeln:

(1) Verlustleistung [W] = Wärmeleitwert [W/K] x Temperaturdifferenz [K]

(2) Wärmeleitwert [W/K] = Wärmeleitfähigkeit [W/(m x K)] × Fläche [m²] / Dicke [m]

[Die Temperaturdifferenz ist die Differenz zwischen Innen- und Außentemperatur des Schutzbaus. Fläche und Dicke beziehen sich auf die Außenhaut des Schutzbaus, also z. B. die Styrodurplatten]

Die Wärmeleitfähigkeit ist eine Materialkonstante, die für Styrodur bei ca. 0,04 W/(m x K) liegt.


Als Beispiel für die weitere Rechnung dient mein Trachy-Schutzbau aus dem Jahr 2010 mit folgenden Maßen:
Grundfläche ca. 1,25 m x 1,25 m, Höhe ca. 2,45 m (ca. 4 m³ Rauminhalt).


Die von mir verwendeten Styrodurplatten haben eine Dicke von 6 cm (= 0,06 m). Die Fläche der Außenhaut beträgt 1,25 m x 1,25 m = 1,56 m² für das Dach plus 4 x (1,25 m x 2,45 m) = 12,25 m² für die Wände und damit insgesamt ca. 13,81 m². Mit diesen Werten errechnet sich der (theoretische) Wärmeleitwert des Schutzbaus nach Formel (2) wie folgt:

(2a) Wärmeleitwertideal = 0,04 [W/(m x K)] x 13,81m²/ 0,06 m = 9,21 W/K

Für die Abweichung des realen Aufbaus vom Ideal des absolut dichten Schut zbau muss ein Aufschlag auf den "idealen" Wärmeleitwert einkalkuliert werden. Ich setze hier einen Schätzwert von 15 % an, also Faktor 1,15. Damit ergibt sich als "realer" Wärmeleitwert des Schutzbaus:

(2b) Wärmeleitwertreal = 9,21 W/K x 1,15 = 10,59 W/K

Um die Verlustwärme zu bestimmen benötigt man die Temperaturmesswerte, die der unbeheizte Schutzbau nachts im "Gleichgewichtszustand" (= keine schnellen Temperaturänderungen innen wie außen) erreicht: Bei einer Außentemperatur von -7,2 °C wurde z. B. im großen Trachycarpus-Schutzbau eine Innen-temperatur von - 3,1 °C gehalten. Die Temperaturdifferenz, die der Schutzbau im thermischen Gleichgewicht aufrecht hält, beträgt somit + 4,1 K. Somit errechnet sich die Wärme-Verlustleistung des Schutzbaus nach (1) als:

(1a) Wärme-Verlustleistung = 10,59 W/K x 4,1 K = 42,36 W.

Um diese Innentemperatur zu halten und die Wärmeverluste über die isolierung zu kompensieren, ist somit eine Dauerheizleistung von rechnerisch ca. 42 Watt erforderlich. Die Rechnung gilt nur für das thermische Gleichgewicht, wenn so wie bei meinem Trachy-Schutzbau die Temperaturverhältnisse über sehr viele Stunden (idealerweise Tage) ungefähr konstant sind!

2. Die innere Wärmequelle des Schutzbaus

Da im Trachycarpus-Schutzbau keine Zusatzheizung eingeschaltet war, muss die Wärme eine andere Quelle innerhalb des Schutzbaues haben (Wärmeleistung = Verlustleistung = 42 Watt). Wäre diese Quelle nicht vorhanden, würde der Schutzbau schnell kälter werden, bis er die Außentemperatur erreicht hat. Diese Wärmequelle ist der Erdboden! In Tiefen unter 1 m ist dieser ganzjährig fast 9 °C warm. Die Bodenwärme wird nach oben geleitet, sobald die Bodenschichten darüber abkühlen. Durch eine gute Schutzbauisolierung kann man die Wärmeverluste des Schutzbaues so klein halten, dass der Erdboden als relativ schwache Allein-"Heizung" bei moderatem Frost ausreicht.

Die Wärmeleistung des Erdbodens als Wärmequelle hängt auch von der Temperaturdifferenz zwischen den 9 °C in der Tiefe des Bodens und der Innentemperatur im Schutzbau ab. Verdoppelt sich diese Temperaturdifferenz, so verdoppelt sich in etwa auch die Wärmeleistung der "Bodenheizung". Bei schnellen Temperaturänderungen (also kein thermisches Gleichgewicht!) stellen die oberen Bodenschichten darüber hinaus einen guten Puffer dar, so dass Lastspitzen (= Temperatureinbrüche) vom noch warmen Boden mit deutlich höherer Heizleistung abgefangen werden.

Die Heizleistung des Erdbodens beträgt im Beispiel (gilt nur bei den hier aufgetretenen Temperaturdifferenzen!) 42 W auf ca. 1,5 m² Bodenfläche und somit ca. 27 W/m². Die für die Wärmeabstrahlung verantwortliche Außenfläche nimmt bei fester Grundfläche ungefähr (wg. der gleich bleibenden Dachfläche etwas weniger) linear mit der Höhe zu. Vereinfacht kann man abschätzen, dass man bei doppelter Schutzbauhöhe (fast) die doppelte Heizleistung braucht. Will man dann die gleiche Temperaturdifferenz halten, muss man die Grundfläche des Schutzbaus verdoppeln, was bei quadratischen Bauten bedeutet, die Länge der Seiten um den Faktor 1,41 zu erhöhen. Oder man muss zuheizen, wenn der Schutzbau höher wird.

Die Heizleistung des Bodens in W/m² ist keine konstante Größe, sondern sie variiert für ein und denselben Schutzbau mit der Temperaturdifferenz zwischen Erdboden und dem Innenraum des Schutzbaus:

Die thermische Heizleistung des Bodens (als interne Heizquelle) PthB berechnet sich als:

(3) PthB = IsB * (T1 - T2) mit IsB = Entropiestrom Boden-Luft (in W/K; hier als konstant anzusetzen)

Die thermische Verlustleistung des Schutzbaues über die Außenhaut PthAh hängt bei gegebener Isolierung nur von der Temperaturdifferenz zwischen dem Innenraum des Schutzbaus und der Außentemperatur ab:

(4) PthAh = IsAh * (T2 - T3) mit IsAh = Entropiestrom Luft innen - Luft außen (in W/K; hier als konstant anzusetzen)

Im Gleichgewichtszustand (Temperaturen außen, innen und Boden bleiben - für eine gewisse Zeit - konstant) ist der Wärmeverlust über die Außenhaut des Schutzbaus genauso hoch wie die Wärmezufuhr über den Erdboden:

(5) PthB = PthAh

und damit auch:

(5a) (T1-T2)/(T2-T3) = IsB/IsAh = konstant

Mit anderen Worten: Im Gleichgewicht (wenn Außentemperatur, Innentemperatur und Erdbodentemperatur lange genug konstant waren) ist das Verhältnis der Temperaturdifferenzen 'Bodenoberfläche / Innenraum' und 'Innenraum / Außen-Temperatur' konstant!

Damit ist es möglich, mit der Kenntnis von einem "Satz" Gleichgewichtstemperaturen in etwa abzuschätzen, welche Temperatur der Schutzbau ohne Zusatzheizung bei anderen Boden- und Außentemperaturen einnehmen wird. In einer Excel-Tabelle habe ich dafür die Werte hinterlegt, wie diese sich in meinem Trachy-Schutzbau mit 2,40 m Höhe im Dezember 2010 eingestellt hatten. Man kann aber in die Tabelle auch die (Gleichgewichts-)Messwerte (ohne Zusatzheizung) anderer Schutzbauten eintragen und abschätzen, welche Werte sich dort bei anderen Außen- und Bodentemperaturen einstellen werden.

3. Grenzen eines Passiv-Schutzes ohne zusätzliche Heizquelle

Der Styrodurbau ist in folgenden Fällen ohne zusätzliche Heizquelle überfordert:

a) Der Boden kühlt von der Seite (horizontal) unter dem Schutzbau hinweg aus.

Das ist der Fall, wenn die Grundfläche des Schutzbaues sehr klein ist und/oder die Dauerfrostperiode sehr lange anhält, so dass der Frost außerhalb des Schutzbaues sehr tief in den Boden eindringt. Abhilfe ist durch Vergrößerung der Schutzbau-Grundfläche sowie durch im Rastermaß des Schutzbaues senkrecht in den Boden eingelassene isolierende Styropor-Platten ("Drainplatten") möglich.

b) Der Boden im Schutzbau kann die Wärme schlecht weiter leiten, weil er isoliert wurde.

Wenn der Boden im Schutzbau gemulcht wird, kommen (bei Grundfläche 1,25 m x 1,25 m wie in meinem Beispiel) nicht mehr 42 Watt, sondern nur noch ein Bruchteil Wärmeleistung an. Im Ergebnis führt das dann zu einem kälteren Schutzbau, aber auch wärmeren Wurzelbereich. Was immer geht: Eine künstliche Heizquelle in den Schutzbau setzen. Ein Grablicht bringt ca. 40 Watt Heizleistung.

c) Starker Wind, inbesondere bei Kahlfrost, kühlt den Schutzbau aus und dringt durch die unvermeidlichen Luftspalte in diesen ein.

4. Messwerte

Die Temperatur-Messkurven der 50. KW 2010 zeigen die Außentemperatur in 2 m Höhe (rot) und die Temperatur im ungeheizten, 2,4 m hohen und 4 m³ umfassenden Trachyschutz (orange). Dieser Trachy-Schutzbau ist der hier berechnete Schutzbau!

Zum Vergleich sind auch zwei mit je einer Grabkerze beheizte kleinere Schutzbauten dargestellt (wobei in einem die Kerze für 20 Stunden ausgefallen war):

Dunkelgrün die Temperatur im mit einer Grabkerze beheizten, 1,26 m hohen und 2 m³ fassenden Phoenixschutz und hellgrün die Temperatur im mit 1 Grabkerze (die am 14.12.2010 gegen 23:00 Uhr ausgebrannt ist) beheizten, 1,26 m hohen und 1 m³ fassenden Musa-Schutzbau. Der Musaschutz hat erst am 15.12.2010 um ca. 19:15 Uhr wieder eine neue Grabkerze erhalten und ist trotzdem gut durch die Nacht mit Außentemperaturen von - 11,5 °C gekommen. Auch im Phoenix-Schutz ist eine Kerze ausgebrannt: Am 18.12. gegen 04:00 Uhr morgens, neue Kerze gegen 10:20 Uhr am gleichen Tag. Wie man sieht, geschieht bei Heizungsausfall nicht gleich Dramatisches:


Temperaturen in der 50. KW 2010:
Temperaturen 50. KW 2010


Temperaturverlauf in der 51. KW: Der unbeheizte Trachyschutzbau (4 m³, orangene Kurve) war in dieser Woche ständig geschlossen. Trotz Außentemperaturen von minimal - 13,5 °C (rot-violette Kurve) behielt der unbeheizte Trachy-Schutzbau eine Temperatur von minimal - 4,4 °C:

Temperaturen in der 51. KW 2010:
Temperaturen 51. KW 2010


Der Trachyschutzbau im Winter 2010:
Westansicht August 2013


5. Alternative Schutzbaumaterialien

1-lagige Luftpolster-Folie: Schwache Isolation

Die Wärmeleitfähigkeit von Lupo-Folie (Beispiel: 410 my Foliendicke, 8,5 mm Dicke inkl. Luftkammern) klingt zunächst gar nicht einmal so schlecht: 0,064 W/(m x K). Das liegt durchaus in der Größenordnung von Styrodur. Aber selbst hochwertige Lupo ist typischerweise nur 8,5 mm dick. Geht man damit in die Beispielrechnung mit den Daten von oben (Trachy-Schutzbau) inkl. 15 % Abweichung für nicht-ideale Abdichtung, dann ergibt Formel (2) folgendes Ergebnis:

(2c) Wärmeleitwertreal, Lupo = (0,064 * 13,81 / 0,0085 * 1,15 W/K = 119,6 W/K

Bei der obigen Temperaturdifferenz von 4,1 K errechnet sich damit:

(1b) Wärme-VerlustleistungLupo = 119,64 * 4,1 W = 478 W

Der Wärmeverlust ist somit über 10-mal höher als mit Styrodur! Zieht man die ca. 42 W ab, die der Boden liefern kann, braucht man bei gleicher Schutzbauabmessung zur Aufrechterhaltung der gleichen Innentemperatur zusätzlich eine Dauerheizleistung von ca. 430 W, um die Temperaturdifferenz von 4,1 K zu halten! Bzw. bei einem per UT100 geregelten 2 kW-Heizlüfter hieße das, dass dieser ca. 1/5 der Zeit zugeschaltet wäre. Das entspricht auch den Erfahrungswerten von Exotengärtnern, die solche einfachen Schutzbauten mit starken Heizstrahlern frostfrei halten.

Ein weiterer Nachteil der Lupo ist die Durchlässigkeit für Strahlung: In der Mittagssonne wird es schnell zu warm und nachts ist die Folie für Wärmestrahlung durchlässig, so dass unabhängig von der Güte der Isolierung Strahlungsverluste eintreten.


Mehrschichtige Außenhaut aus alubedampfter Lupo mit Luftschicht zwischen zwei Lagen: Guter Kompromiss
Als Alternative zum Styrodur setze ich eine innen mit Aluminium bedampfte Lupo-Folie ein, die weitgehend strahlungsundurchlässig ist (gleiche Holzkonstruktion wie für die Styrodur-Bauten). An der Innen- und Außenseite des Schutzbaues/der Schutzbaupfosten wird jeweils eine Lage der Spezialfolie angebracht, Abstand der Innenfolie zur Außenfolie 6 cm bis 8 cm. Mit diesem Aufbau wird eine ordentliche Isolationswirkung erreicht, wenngleich nicht so gut wie mit Styrodur.

Bei mehreren Lagen (1 bis i) addieren sich deren Wärmedurchlasswiderstände (das sind die jeweiligen Quotienten aus der Dicke des Isolationsmaterials und seiner Wärmeleitfähigkeit):

(3) Rges. = R1 + R2 + ... Ri mit R in [(m² x K)/W]

R beträgt für die Lupo-Folie 0,13 (m² x K)/W und für die 6 cm dicke senkrechte Luftschicht 0,17 (m² x K)/W. In Summe für die Außenhaut also 0,42 (m² x K)/W. Rechnet man damit den Wärmeleitwert aus, so liegt dieser (statt um mehr als den Faktor 12 wie bei eine Einzellage Lupofolie) "nur" um den Faktor 3,6 über dem von 6 cm dickem Styrodur. Die Wärmeverluste sind (mit Styrodurdach) bei einem 1,20 m hohen Schutzbau mit 2-lagiger, durch Luftschicht getrennter Lupo-Folie (nur) ca. dreimal so hoch, als wenn der Schutzbau komplett mit 6 cm Styrodur isoliert wäre. Will man die gleichen Innentemperaturen wie im Styrodur-Schutzbau einhalten, benötig man somit die 3- bis 4-fache Heizleistung.

Schutzbau mit Doppellage alubedampfter Luftpolsterfolie:
Schutzbau mit Doppellage alubedampfter Luftpolsterfolie


Erfahrungen mit der alubedampften Luftpolsterfolie

Solange der Schutzbau klein ist (unter 1,50 m Höhe), ist diese Methode anwendbar. Bei höheren Bauten wird die Montage, insbesondere der dichte Anschluß überlappender Lupo-Bahnen, schwierig. Dazu kommt die mangelhafte UV- und Feuchte-Beständigkeit der Aluminium-Beschichtung, wodurch diese Folie maximal 2 bis 3 Winter hält.
Ich verwende daher nur noch Styrodurplatten als Außenhaut der Schutzbauten. Für frostharte Palmen wie Trachycarpus reichen hier in den Wintern des Westmünsterlandes auch Platten mit einer Stärke von 4 cm oder 5 cm. Diese haben gegenüber Platten mit 6 cm Dicke vor allem den Vorteil des geringeren Platzbedarfs bei der Lagerung im Sommer.